Segelkurs 2015 in Berlin

„Sehbehinderte der Welt, schaut auf dieses Projekt!“
Segelkurs 2015 in Berlin vom 15.07.-23.07.2015

von Robert Heuser

Diese Anleihe bei Ernst Reuter, der legendären Bürgermeister von Berlin, der die Völker der Welt aufrief auf diese Stadt Berlin zu schauen angesichts der von den Russen verhängten Blockade, nehme man mir bitte nicht übel. Aber die Einmaligkeit dieses Segelprojektes und der Veranstaltungsort Berlin für die jährlich stattfindenden Segelwoche für sehbehinderte und blinde Kinder verdient Aufmerksamkeit und Beachtung weit über die unmittelbar Teilnehmenden hinaus.

Seit 1992 wird dieser neuntägige Segelkurs in Kooperation zwischen dem BFS-Bundesverband und dem BFS-Landesverband Berlin-Brandenburg erfolgreich durchgeführt. Mehr als 400 Kinder und Jugendliche haben schon an dieser Ferienmaßnahme teilgenommen, die Sehbehinderten und blinden Kindern das Kennenlernen und Ausüben des Segelsports ermöglicht. Einige Kinder, die als Teilnehmende der ersten Jahre dabei waren, stellen heute ein Kontingent der Segellehrer und Betreuer und sorgen neben vielen weiteren ehrenamtlich Tätigen für die personelle Grundlage und Zukunftsperspektive des Segelprojektes des BFS-Berlin-Brandenburg.

Die finanzielle Förderung aus Mitteln des Bundesjugendplans durch das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend ist über viele Jahre eine der wesentlichen Grundlagen für dieses Projekt gewesen.Wir freuen uns ganz besonders, dass trotz immenser Schwierigkeiten in der Abwicklung, letzlich auch 2015 durch beherztes Handeln der Mitarbeiter des Ministeriums und des Bundesverwaltungsamtes die Finanzierung, in Seglersprache „in einem Manöver des letzten Augenblicks“, gesichert wurde.

Ebenso gilt unser Dank der Aktion Mensch, die uns durch Förderung des Betreungsaufwandes unterstüzt hat. Dank gilt aber auch allen, die für Segelunterweisung, Betreuung, Organisation und vielfältige tätige Hilfe mit Herz, Verstand und Hand auf Booten, in der Küche, und an Schreibtischen zur Verfügung standen.

KLAR ZUR WENDE, …REE!

Pascal Tödter

Segel setzen und raus auf den See, heißt es auch in diesem Jahr wieder für 20 sehbehinderte und blinde Jugendliche und 15 Segellehrer. Es ist damit bereits die 24. Segelwoche des BFS e.V. in Berlin. In dieser Woche segeln wir 1 bis 2 Mal am Tag zwischen 2 und 3 Stunden. Am Vormittag gibt es das sogenannte Pflichtsegeln und am Nachmittag das freiwillige Segeln, in der Regel sind mindestens die Hälfte der Schüler mit dabei. Wir segeln meistens nach dem Wind und nicht nach Bojen, so dass jeder segeln kann wie er möchte. Es gibt aber auch Ausnahmen. Dabei ist die Aufgabe, ein Dreieck, das durch Bojen abgesteckt ist, abzufahren. Egal wieviel einer sieht, jeder lernt in dieser Woche die Grundlagen des Segelns. Am ersten Tag segelten die Neuen mit SegellehrerInnen auf 4-6 Mann-Booten, um einen Einstieg zu erhalten. Sie konnten das am Morgen in der Theoriestunde gelernte, z.B. das Auf- und Abbauen der Boote oder das Knoten machen, in der Praxis ausprobieren und erhielten dabei Unterstützung von den SegellehrerInnen. Sie erklärten auch während des Segelns die verschiedenen Windkurse und die dazu gehörenden Segelstellungen. Zudem zeigten sie den SchülerInnen, wie man anhand des Verklickers oben am Mast die Windrichtung bestimmen kann und wie er am besten stehen soll bzw. nicht stehen soll. Steht der Verklicker z.B. Steuerbord oder Backbord quer ab, segelt man mit halbem Wind, und dann ist das Boot am schnellsten. Man sollte vermeiden, dass er achteraus steht, denn dann segelt man hart am Wind, und falls der ein bisschen drehen sollte, kann man ungewollt eine Wende fahren.

Schon nach dem ersten Tag haben die SchülerInnen eine solche Einweisung und jede Menge Einblicke ins Segeln erhalten. Bereits am nächsten Tag konnten die Neulinge mit den Berlinern, die im ständigen Segelprojekt alle zwei Wochen segeln oder mit Jugendlichen, die bereits mehrmals teilgenommen haben, auf Zwei-Mann-Boote umsteigen. Im Laufe der Woche segelten sogar SchülerInnen zusammen, die bis vor wenigen Tagen noch nicht mal ein bisschen segeln konnten. Unterstützt wurden sie dabei von SegellehrerInnen, die sie auf Motorbooten begleiteten und Tipps gaben. Sie sagten den SchülerInnen z. B., ob sie Anluven oder Abfalle oder auf welches Objekt sie zusteuern sollten. Die SchülerInnen konnten aber auch durch eigenes Probieren lernen. Beispielsweise, indem sie guckten was passiert, wenn sie das Segel dichter holen beim anluven. Auch Blinde konnten an der Pinne (dem Steuerruder) sitzen oder Vorschoter sein. Sie bekamen ein Gefühl für das Boot, für den Wind, die Segelstellung und den Sonnenstand und wie sie mit all diesen Informationen am besten Kurs halten konnten, ohne einen Orientierungspunkt sehen zu können. Selbst ein hochgradig Sehbehinderter konnte am Ende der Woche auf einem Ein-Mann-Boot (Topper) über den See segeln. Ja, es war toll. Zum Ende der Woche waren alle in der Lage, selbständig Boote auf- und abzubauen und beherrschten die Grundlagen des Segelns. Ob nun nass oder trocken, alle kamen gut gelaunt zum Bootshaus zurück und freuten sich auf das nächste Segeln.

WESHALB HAT DAS MARTINSHORN DIESEN NAMEN?

Robert Heuser

Das war eine der Fragen aus dem Fragebogen der Berliner Feuerwehr. Wir waren nämlich im Berliner Feuerwehrmuseum und bekamen dort eine exklusive Führung und konnten alles Mögliche anfassen und ausprobieren. Wir haben viel gelernt und uns alle gegenseitig fotografiert. Wo? natürlich in einem Feuerwehrauto, mit dem wir virtuell in 8 Minuten zum Einsatzort durch Berlin gerast sind. Zur oben gestellten Frage gab es übrigens drei mögliche Antworten:

a) weil die Firma Martin es baut,
b) weil Martin es einschalten darf,
c) weil der Klang sich so anhört. Maaartin – Martaaa!!!

Na, ich lasse euch mit dieser Frage mal allein und gebe hier den Rat: „Wenn du die Antwort nicht kennst, frage einfach einen Feuerwehrmann, der hilft dir weiter“. Übrigens, Feuerwehrfrauen gibt es auch, aber noch nicht sehr viele.

Was haben wir sonst noch gemacht? Tischtennisturniere, Geocashing. Das war neu. Drei Gruppen hatten jeweils ein GPS-Gerät und mussten unvollständig angegebene Koordinaten durch Beantwortungen von Fragen ergänzen. Am jeweiligen Zielort musste ein Zettel gesucht werden, der die neue Frage und einen Buchstaben des Lösungswortes enthielt. Zielpunkt war der Freizeitpark in der Nähe des Bootshauses, wo ein umfangreiches Picknick vorbereitet war. Das Lösungswort lautete übrigens „TEGELER SEE“.

Natürlich waren wir auch im Reichstag, genauer gesagt in der Kuppel und haben uns dort mit einem Audio-Guide Berlin erklären lassen. Selbstverständlich haben wir uns am Brandenburger Tor umgesehen und die Stelen des Holocaust Mahnmals besucht. Auch den „Ort der Stille“, das Denkmal für die ermordeten Sinti und Roma, haben wir besichtigt und uns erläutern lassen. Es liegt alles so praktisch auf dem Weg vom Reichstag zum Potsdamer Platz. Ein schneller Blick ins Sony-Center und dann ein Rieseneis in den Potsdamer Platz Arcaden. Voll gut war das, sagten zumindest Kim-Sarah und Sidney-Marie. Die hatte übrigens in der Segelwoche Geburtstag und wir haben für sie gesungen und ihr ein Berlin T-Shirt geschenkt.

Willi, der beliebteste Sehbehindertenpädagoge Ostwestfalens (OWL), hatte mit Benjamin, der gemeinhin als der fähigste Zerspaner und Feinmechaniker OWL’s (Ostwestfalen/Lippe) gilt, für jeden Tag eine Aufgabe gestellt. Das ganze nannte sich Segelwochen-Olympiade. Die Gruppen blau, grün und gelb mussten sie im Team lösen. Es war wie bei der Tour de France, nur dass die Tagessieger kein gelbes Trikot bekamen. Am letzten Tag gab es den großen Abschlusswettkampf: Rennen ums Bootshaus. Wenn die Runde vollendet war, wurde per Pfiff ausgelöst, dass ein wassergefüllter Luftballon vom Steg aus in die auf dem Wasser vertäute Badeinsel geworfen werden musste. Traf der/die Werfende nicht, musste ein/e SchwimmerIn starten und den Ballon in die Badeinsel befördern. Zeit war das Kriterium für den Sieg. Natürlich hat ein Team gewonnen und das Gesamtsieger-Team bekam einen Preis, jeder von den Team-Mitgliedern natürlich einen.

Was gab es noch? Zwei Nachtfahrten mit der „Ran“, davon eine mit Feuerwerk über dem See. Die „Ran“ ist ein großes Segelboot mit Schoner-Takelung, auf dem alle Platz haben – wir leihen es uns immer für die Nachtfahrt. Wind gab es reichlich, das hat Pascal ja schon berichtet. Regen gab es auch, und ach ja, Heimweh. Charlotta, die Kleinste und Jüngste, hat es nicht ausgehalten. So weit weg von der Mama und so lange… da wollte sie abgeholt werden. Schade, es hatte ihr eigentlich so gut gefallen.

Übrigens, wie war die Bewertung. Robert hat eine Umfrage mit 15 Unterpunkten gemacht. Das Ergebnis in der Gesamtwertung 87,3 von 100 Punkten. Beste Einzelwertung gab es bei der Frage „Wie waren die SegellehrerInnen“ mit 98 Punkten.

Der Abschied am Donnerstag war schwer, aber wir sehen uns wieder! Das Sporttreffen in Rheda-Wiedenbrück Ende Februar 2016 bietet Gelegenheit dazu.